FRAUKE HÄNKE/CLAUS KIENLE
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Ausstellungskatalog 'Klang' 2012
Künstlerverein Walkmühle, Wiesbaden
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Ausstellungskatalog 'Technik und Methode' 2012
Fotogalerie Wien
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Sauce Andalouse
Simone Heiderscheid, Esch sur Alzette 2010, Luxemburg 2010 (pdf)

Hvar sem er
Der andere Blick, wichtige Fragen und isländische Grammatik
Was passiert hier? Warum ist das so? Wo ist das?
Hlynur Hallsson, Akureyri, Island 2010
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Jewels of the North
Ulrike Künnecke, Berlin 2008
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Phantasien der Wiederholung
Über die Kunst von Frauke Hänke und den Nachhall eines Textes von Handke
Dr. Elke Ostländer, Villa Grisebach Gallery, Berlin 2004
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Angenehmes Wohnen
Ulrike Künnecke, Berlin 2004
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estamos en camino
estamos en camino oder Unterwegs in Patagonien
Jane Bert, Bonn 2004
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"Paris wird ein Wintergarten sein; -" Gustave Flaubert in einer Skizze zu "Bouvard et Pécuchet"
Folgen im Nachbild
Über die Gummigrafien von Frauke Hänke und Claus Kienle
Jens E. Sennewald/Andrea Weisbrod, Paris, Frankreich 2004
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Das Spiel mit dem Sehen
Barbara Häfele, Frankfurt 2002
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Fallenstellerei
Emma Delp, Magdeburg 1997
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Viewpoint - Take and Shoot
Ulrike Künnecke, Berlin 1996
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Viewpoint - Spurensuche
Jane Bert, Bremen 1996
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Gummigrafie
Frauke Hänke/Claus Kienle, Hamburg 1993
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Austellungskatalog Sauce Andalouse 2010
Galerie Terre Rouge, Esch sur Alzette

"Denn er, Vidme, ein Mann von Mitte dreißig, jedoch bereits mit leicht ergrautem Haar, meint, dass er etwas Wichtiges gefunden hat, dessentwegen er sein Leben verändern muss, er fi ndet, dass er mit seinem Schreiben etwas Wichtiges entdeckt hat, etwas, das er pfl egen muss im weiteren Leben, und darum geht Vidme durch Regen und Wind und er denkt, dass die langjährige Arbeit als Schriftsteller ihn irgendwann etwas Wichtiges gelehrt hat, etwas, von dem nur wenige wissen, er hat etwas gesehen, das nur wenige andere gesehen haben, denkt Vidme, wie er da geht durch Regen und Wind, denn man isoliert sich ja, man arbeitet sich isoliert tief in etwas hinein, und wenn man nur will, kommt man weit genug hinein, tief genug hinein, kann etwas sehen, das die meisten anderen nicht gesehen haben, und das, was er da gesehen hat, meint Vidme, wie er da geht durch Regen und Wind, ist das Wichtigste, das er in all den vielen Jahren, seit er fast jeden Tag dasitzt und schreibt, herausbekommen hat."
Jon Fosse, Melancholie

1993 schließen Frauke Hänke und Claus Kienle ihr Studium des Fotodesigns in Bielefeld ab und lassen sich in Hamburg nieder. Sie beschließen, ihren Lebensunterhalt als Künstler zu verdienen. Und sie wollen ihre Arbeiten ausschließlich in einem historischen Edeldruckverfahren, dem Gummidruck, herstellen. Dass sie nicht unbedingt die einfachsten Zukunftspläne geschmiedet haben, wissen sie. "Geld oder Leben" heißt eine Arbeit von Claus Kienle aus dieser Zeit. Sie zeigt eine Schusswaffe und von Geldscheinen abfotografi erte Augenpaare.

Anfang der 90er Jahre wurde von Künstlern vor allem Konzepte erwartet, und die Übereinstimmung von Form und Inhalt galt nicht nur Mittel zum Zweck sondern war oft der eigentliche Anlass künstlerischen Schaffens. Auch Hänke und Kienle begründen zunächst die Wahl ihrer Technik: "Gummigrafi en entziehen sich der fotografi schen Beweiskraft". In der Tat demontieren die beiden spielerisch den Anschein des Dokumentarischen, welcher der Fotografie nach wie vor anhaftet. Sie möchten vielmehr Fährten legen, dem Betrachter einen Raum öffnen für Assoziationen, die sich im Spannungsfeld zwischen Motiv- ‐ und Titelwahl bilden. Und, um sich von der Absicht abzugrenzen, mit welcher der Gummidruck ursprünglich entwickelt wurde - der Herstellung möglichst malerischer Abzüge -, integrieren sie absichtlich technische Unvollkommenheiten in ihre Arbeiten.

Doch es scheint so, als entzögen sich die Gummigrafi en von Frauke Hänke und Claus Kienle selbst den Intentionen ihrer Schöpfer. So wie die Pigmente auf den Bildträgern haften, haben sie eine fi ligrane, fast zierliche Wirkung. Und nicht nur das. Auch die Motive und die Art wie sie bearbeitet werden üben einen eigenwilligen Sog auf den betrachterischen Blick aus, der, so möchte man meinen, nicht durch Überlegungen und Gedankenketten gestört werden will.

1997 kommen Frauke Hänke und Claus Kienle zum ersten Mal nach Luxemburg, als sie einen Workshop im "Centre national de l’audiovisuel" geben. Am Abend des ersten Tages lassen sie sich an einer Pommesbude durch meine Vorliebe für Sauce andalouse (Mayonnaise mit Harissa) anstecken und am nächsten Morgen steigen sie mit mir über den Zaun eines verlassenen Freibades. Meine Hinneigung für diesen typischen Ort der damals schon postindustriellen Minetteregion können sie ohne weiteres nachvollziehen. So offen und vorbehaltlos für alle neuen Eindrücke wie ich sie in diesen Tagen kennengelernt habe, bereisen sie im Laufe der folgenden Jahre zahlreiche Länder und Gegenden. Sie lassen sich meist von den scheinbar banalen Dingen, die sie dort vorfi nden einfangen. Irgendwann gehen sie dazu über, für ihre Gummigrafi en nur noch Aufnahmen zu verarbeiten, die sie auf ihren Reisen gemacht haben. Noch immer legen sie großen Wert auf das Zusammenspiel zwischen Titel und Motiv. Bei Frauke Hänke werden die Titel - oft Phrasen, die sie Sprachführern entnimmt - sogar insofern Bestandteil ihrer Arbeiten, dass sie sie mit Nähseide auf den Bildträger stickt. Doch die konzeptuelle Absicht besteht zunehmend darin, die erlebte Wirkung eines die Aufmerksamkeit bannenden Augenblicks durch die Gestaltung der Gummigrafien zu transportieren.

"Geld oder Leben" bedeutet viel mehr als nur die Wahl zwischen einem geregelten Einkommen und künstlerischer Freiheit. Es bedeutet, sich unter Verzicht auf diverse Annehmlichkeiten einen ideellen Raum zu schaffen, in dem, und nur in dem, bestimmte Momente der Übereinstimmung mit der Umgebung in ihrem wirklichen Umfang wahrgenommen werden können. Die Frage, die Claus Kienle in seiner frühen Arbeit stellte, ist längst beantwortet.

Simone Heiderscheid, Esch sur Alzette 2010